Vorbereitung ist alles… oder nix…

Das Vorhaben aus der Hauptstadt von Frankreich kurz gen Westen an den Atlantik und zurück zu fahren, war, sagen wir, eine Herausforderung. Zur Entscheidung für die Teilnahme hatte ich mich Ende Mai endgültig durchgerungen, mich angemeldet und da der Körper keine Zicken machte, musste ich die Anmeldung bis zuletzt auch nicht zurückziehen. Nein, physisch war die Vorbereitung sogar nahezu optimal. Nachdem der 600 km Brevet komplett ohne nennenswerte Beschwerden abgelaufen war (er war die schönste Tour in diesem Jahr!), hatten sich bei den 600 km Fichkona die Knie wegen Unterkühlung vorsichtig gemeldet und mich dazu gebracht, noch etwas an der Ausrüstung zu feilen. Mit 6500 Trainingskilometern von Mitte April bis Mitte August fühlte ich mich gut vorbereitet. Nur leider kam dann der Pannenteufel.

11. Tag vor PBP

Am 11. Tag vor dem Start in Paris wollte ich eigentlich die letzte Einheit auf dem Rennrad fahren, mit dem ich auf die 1.241km gehen würde. Für ein bisschen mentales Training stand ich nach gut 2 Stunden Schlaf gegen 1:30 Uhr auf und machte mich auf zur Arbeit. Tolle Sache – die Straßen sind um die Zeit so schön frei. Nur bemerkte ich ab und zu ein leichtes Quietschen. Auf dem Rückweg wurde dieses immer eindringlicher. Wiegetritt: nix zu hören. Normales Treten: es quietscht. Rollen ohne treten: es quietscht. Nicht gut. Abgestiegen, vorderes Laufrad gedreht: quietscht. Super, denke ich, Lagerschaden. Daheim dann zum ersten Mal die Nabe zerlegt und wenn ich Öl reinsprühte, kam einige rot-rostige Brühe aus dem linken Lager wieder raus. Das rechte lief wie Butter. Also neues Fett zwischen die Kugeln gedrückt und alles lief geräuschfrei. Neuer Anlauf für die Generalprobe.

10 Tage vor PBP

Diesmal war es auf der Hinfahrt bereits deutlich vernehmbar: Beschwerden aus der Vorderradnabe. Als hätten sich die Lager abgesprochen. Abends gleiches Prozedere mit dem rechten Lager des Vorderrades. Ölspülung. Fettpackung. Quietschen weg. Die letzten beiden Tage war ich nur im Trocken unterwegs. Ist mir schleierhaft, warum das Problem jetzt auftrat. Lehrstunde für mich: Schau öfter mal in die Lager.

Nun gut. Das Problem war ja nachhaltig gelöst. Jetzt war Fahrrad putzen angesagt. Radl soll ja eine gute Figur machen in Paris. Also Wachs raus und Hinterradnabe verwöhnen. Und wie dankt die mir die vielen Streicheleinheiten mit dem Lappen? Ich entdecke einen Riss an einem Speichenloch mitten auf der Felge. Sofort wurden Erinnerungen wach an Statements á la: “Felgenriss bei den K*** Laufrädern? Ist wohl schon mal vorgekommen. Scheint aber eher die Ausnahme! Ich habe keine Probleme! Super Laufräder!” Nun war ich solch eine Ausnahme. Ratsuche im Forum: Es gab jemanden, der mit solch einem Riss wohl schon 3000 km durch die Gegend fuhr. Ich schloss mich ohne lange Überlegung dem Gegenargument an: zu gefährlich. Das Rad hat ja nur 10 Radialspeichen mit hoher Zugspannung auf der Seite. Rätseln was tun… Läden hatten für heute ohnehin schon alle zu. Also drüber schlafen. Optionen:

  • neue Felge einspeichen? Felge gibt es offiziell nicht mehr. Wird wohl schwierig.
  • Laufradsatz borgen? Schwierig. Muss ja kompatibel mit der Campagnolo Schaltung sein.
  • neuer Laufradsatz? Aber welchen? Mögliche Kriterien: klassisch eingespeicht, um die 1.500g, ggf. flache Felge für höheren Komfort auf dem rauhen französischen Asphalt
  • anderes Fahrrad? Treckingrad? Faltrad? Wohl eher eine Notlösung.

9 Tage vor PBP / 6 Tage vor Abreise nach Paris

Ich brauche einen neuen Laufradsatz. Rechner anwerfen. Laufräder vergleichen. Entscheidung: Ich kaufe die Neutrons. Das sind robuste, (unter Campa Fahrern) weit verbreitete und von ihren Nutzern heiß geliebte Laufräder. Die Entscheidung war einfach, zumindest verglichen mit dem was folgte. Ich telefonierte den Samstag bestimmt 15 Radhändler und -versender ab, bis ich in der Schweiz einen fand, der die Räder auf Lager hatte. Alle anderen konnten nicht versprechen, wann sie die wieder im Lager hätten. Problem nun: Montag ist in der Schweiz Feiertag. Warum nur diese Woche. Sollte aberhoffentlich trotzdem alles noch klappen. Bestellung aufgegeben und Vorabüberweisung als Screenshot gemailt, damit die Laufräder so schnell wie möglich raus könnten. Kurzer Mailwechsel: Sie schicken mir die Paketnummer zu. Warten.

6 Tage vor PBP / 3 Tage vor Abreise

Nachmittags ist noch keine Paketnummer da. Mailwechsel: kommt, wenn die Laufräder am Abend in die Post gehen.

5 Tage vor PBP / 2 Tage vor Abreise

Paketnummer noch nicht da. Mailwechsel: Paketnummer kommt. Hups. Österreichische Post? Aha. Die sitzen wohl im Dreiländereck D-At-S. Warten. Nachmittags wieder nachgeschaut: “Wurde an Logistikpartner übergeben”. Damit war ich einen knappen Tag hinter dem Plan. Auf Deutsch: Wenn morgen geliefert wird und ich bin nicht da, dann liefern sie womöglich übermorgen wenn ich schon im Zug sitzen. Ich mache abends noch meine Freundin mit Szenarien und Handlungsoptionen verrückt.

4 Tage vor PBP / 1 Tag vor Abreise

Ich fahre eine Stunde später und rufe den Spediteur morgens an. Soll ab 7 Uhr erreichbar sein. Nach 20 Sekunden Klingeln geht auch jemand ran. Freundliche Frau, der ich versuche, den Notfall (ohne Erwähnung des eigentlichen Grundes) emotional näher zu bringen. Nein, das Paket kann ohne Unterschrift nicht vor die Tür gestellt werden. Der Fahrer kann auch keine Händynummer anrufen, dass jemand kurz die Laufräder in Empfang nimmt. Fahrer haben oft kein Handyguthaben. Sie kann aber den Fahrer aber bitten, es bei einem Geschäft abzugeben. Immerhin. Als letzten Strohhalm klebe ich einen großen Zettel draußen ans Klingelschild und einen an den Briefkasten, dass das Paket absolut dringend ist und abgegeben werden muss. Abends fahre ich extra frühzeitig heim, um vor Ladenschluss zu schauen, wo das Paket in der Stadt abgegeben wurde. Das Adrenalin steigt beim Lesen auf meinem Zettel am Briefkasten als ich realisiere, dass die Laufräder in einem Geschäft in der Straße abgegeben wurden. Hacke kehrt und hin. Der Stein fällt: Die Goldschmiede hat offen. Während die Verkäuferin noch eine Kundin berät, schaue ich mir die Auslagen an und überlege, zum Kauf wie vieler Ringe und Ketten ich mich jetzt erpressen ließe, um das Paket zu bekommen. Ich erhalte die Laufräder auch so. Nur ein netter Wink, ich dürfe auch gern noch weiter schauen. Ich habe es leider eilig. Jetzt beginnt die verspätete Vorbereitung auf Paris. Laufräder bereifen und einbauen. Bremsen einstellen. Proberunde. Alles bestens. Durchatmen. Weitere Lektion: Du solltest einen Reservelaufradsatz da haben. Am besten ein Reserverennrad! Schwierigkeit: Konto und bessere Hälfte überzeugen.

 

Und weiter gehts demnächst…

denlinne

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