Fjelltour – Tag 2 – Die Gewalt der Natur

Nach Temperaturen nur knapp unter Null ausßerhalb und Plusgraden innerhalb des Zeltes mussten wir eine neue Erfahrung machen: Die Schlafsäcke waren am Fußende klatschnass! Also für die Umstände klatschnass! Auswringen ließen sie sich noch nicht. Durch die geringe Zeltlänge und nicht soooo große -breite hatten wir trotz unserer von einigen immer mal wieder belächelten geringen Körperlänge mit den Schlafsäcken das Innenzelt berührt und das sich daran kondensierte Wasser abgewischt. Da man nachts rund 2 Liter Flüssigkeit verlieren soll und sich diese zu großen Teilen entgegen meiner Sommerzelterfahrungen nicht hauptsächlich am Außen-, sondern am Innenzelt sammelt, standen wir vor dem Problem, die Schlafsäcke trocknen zu müssen. Mein Zwiebelschlafsacksystem – Fleeceinlett innen, mittig den Daunenschlafsack, außen den Kunstfaserschlafsack – war zwar nicht so anfällig, da die Feuchtigkeit in der Kunstfaser geblieben war, jedoch insbesondere Claudias Winterdaunenschlafsack würde bei weiterer Feuchtigkeit schnell sein Isolationsvermögen verlieren. Daune wärmt nur, wenn sie trocken ist…

 

Wir beschlossen, vorzulaufen und in der Innerdalshytta, eine große Hütte des norwegischen Wandervereins, den Trockenraum gegen “kleines” Entgeld zu nutzen.

 

Nach 1,5 Stunden Sachen trocknen ging es zu fünft in leichtem Schneegestöber weiter weiter. Die Sicht war schlecht. Seit Samstag Mittag schneite es. Ägerlich, da wir doch in einem der schönsten Täler Norwegens unterwegs waren. Die beeindruckenden Hänge und Bergkuppen ringsherum konnte man die meiste Zeit nur erahnen. Plötzlich grummelt es hinter uns. Eine Lawine! Schneemassen. Schneestaub. Eine riesige weiße Wolke. Wir drehen uns um. 300 Meter weiter ergießen sich Schneemengen in ungeahnter Menge. Ein Schauspiel der Naturgewalt. Bäume werden mitgerissen. 30, 40 Meter hoch ist die Luft gesättigt von weißem Staub. Gigantisch! Und es nimmt minutenlang kein Ende. Man kennt ja meist von eigenen Erfahrungen, welche Kraft Wassermassen besitzen. Aber Schneemassen haben echt Stil! Tödlichen Stil.
Nun haben wir auch erlebt, wie an den Hängen die regelmäßig wiederkehrenden Schneisen entstehen. Wir laufen weiter, nun noch stärker darauf bedacht, potentiellen Lawinenhängen fern zu bleiben. Der Blick auf die Karte eröffnet eine nahe geeignete Campingmöglichkeit und bestätigt die Gefahr, die an der Stelle der abgehenden Lawine drohte.
Das Zeltlager wurde errichtet, wobei wir uns diesmal einig waren, was es heißt, “die Zelte im Dreieck aufzubauen”. Anschließend liefen wir Jungs noch einmal den Kilometer zurück, um uns die Lawinenresultate näher anzusehen. Es war beruhigend zu wissen, dass wir auch an der Stelle richtig gelaufen waren und uns die Lawine bei zeitigerem Abgehen nicht erwischt hätte.

 

  

 

 

Beim Einschlafen abends rumpelt es wieder. Wir konnten aber kaum einschätzen, wie weit die Lawinen weg waren. Es spüre einen leichte Anflug von Panik und stelle fest, dass ich tagsüber bei der Lawine keinerlei Adrenalin gespürt hatte. Im Zelt, in dem man – so lange alles gut geht – mit der Außenwelt nur akustisch verbunden ist, ist das scheinbar etwas anders… Ich fühlte mich in meinem Schlafsack etwas hilflos. Die Vernunft sagte uns jedoch, dass wir an der Stelle sicher waren und ließ uns schnell zur Ruhe kommen.

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